Alternative Modelle in der Krankenhaushaftpflichtversicherung
Die Nachfrage nach alternativen Modellen wie zum Beispiel Eigentragungslösungen in der Krankenhaus-Haftpflichtversicherung gewinnt in Anbetracht der herausfordernden wirtschaftlichen Lage immer mehr an Bedeutung – unter anderem auch aufgrund der anstehenden Krankenhausreform.
Interessant sind Eigentragungsmöglichkeiten vor allem, da sie eine Reduzierung der Gesamtrisikokosten sowie zum Zeitpunkt der Einführung einen unmittelbaren Liquiditätsvorteil ermöglichen. Gerade in Zeiten von mangelnder Krankenhausfinanzierung erscheint eine Eigentragung unbestreitbar attraktiv. Dabei wird zwischen zwei Arten von Eigentragung unterschieden.
Arten von Eigentragung
Selbstbehalt (SB)
Der Selbstbehalt (SB) ist der Anteil, den der Versicherungsnehmer im Schadenfall selbst zu tragen hat. Er wird als absoluter oder prozentualer Anteil vom einzelnen Schaden oder vom aggregierten Schadenaufwand eines ganzen Versicherungsjahres vertraglich vereinbart. Für die Vereinbarung von SB gewährt der Versicherer Prämiennachlässe. Eine Prämienersparnis ist auch immer mit einer Reduzierung der darauf anfallenden Versicherungssteuer verbunden.
Self Insured Retention (SIR)
Neben dem klassischen SB werden auch regelmäßig SIR-Lösungen nachgefragt, da mit diesem Modell weitere wirtschaftliche Vorteile verbunden sein können. Der Unterschied zwischen SB und SIR ist, dass das Krankenhaus innerhalb des SIR-Betrags selbst für die Prüfung der Haftpflichtfrage und für die Abwehr unberechtigter Schadenersatzansprüche verantwortlich ist. Bei einem SB hingegen übernimmt der Versicherer diese Aufgaben unabhängig von der Schadenhöhe. Durch die Abgabe von Aufgaben an den Versicherungsnehmer soll der Verwaltungsaufwand des Versicherers für Frequenzschäden reduziert und eine weitere Prämienersparnis erzielt werden. Zudem besteht für das Krankenhaus die Möglichkeit, innerhalb der SIR-Grenze eigenständig zu regulieren. Es kann somit schneller und schlanker handeln. Das Risikomanagement spielt dabei eine wichtige Rolle, weil es die Schadenfrequenz positiv beeinflusst. So weit die Theorie. Doch wie sieht ein SIR in der Praxis aus?
Prüfung der Anforderungen
Bevor sich ein Krankenhaus für einen SIR entscheidet, sind vorab einige Fragestellungen zu klären. So muss das Krankenhaus beleuchten, ob die bilanzielle Tragfähigkeit und Liquiditätssituation der Unternehmensstruktur sowie der einzelnen Tochterunternehmen für ein Eigentragungsmodell geeignet sind. Weiterhin sind unter anderem Anforderungen an die Pflichtversicherung der Ärzte, eventuelle Insolvenzrisiken sowie steuerliche Facetten in puncto Gemeinnützigkeit zu überprüfen. Für die Prüfung und Abwehr unberechtigter Schadenersatzansprüche innerhalb des SIR muss ausreichend geschultes Personal vorgehalten werden. Aufgrund der Langjährigkeit des Heilwesenrisikos muss für viele Jahrzehnte eine Schadenbearbeitung sichergestellt werden (30 Jahre Verjährungsfrist für Personenschäden zuzüglich Bearbeitungs- und Regulierungszeitraum). Weiterhin müssen externe Kosten für Anwälte oder Sachverständige innerhalb des SIR selbst getragen werden. Hat der Kunde die verschiedenen Anforderungen für sich positiv beantwortet und sich für einen SIR entschieden, folgt der Praxistest.
Zusammenspiel: Krankenhaus – Versicherungsmakler – Versicherer
Die Aufgabe des Krankenhauses, selbst die Schadenbearbeitung zu übernehmen, wird regelmäßig auf Dritte wie den zuständigen Versicherungsmakler übertragen. Für eine erfolgreiche, zügige und unkomplizierte Abwicklung der Schadenfälle ist ein abgestimmtes Zusammenspiel notwendig.
Dabei ist es zum Beispiel wichtig, ...
im Schadenmanagement
die datenschutzrechtlichen Bestimmungen bei der Übermittlung und Bearbeitung von Gesundheitsdaten zu beachten. Es sind gemeinsam Prozesse abzustimmen, wer zum Beispiel für die Einholung von Schweige-pflichtentbindungs- und Datenschutzerklärungen beim Anspruchsteller verantwortlich ist;
eine effiziente Bearbeitung der Haftpflichtfälle sicherzustellen, sodass zum einen eine zügige und vertragsgerechte Abwicklung gewährleistet wird und zum anderen Zahlungen und Aufwände im SIR jederzeit transparent sind. Um dies möglich zu machen, bietet die Ecclesia ihren Kunden unter anderem das digitale Kundenportal ecconnect;
ein regelmäßiges und anlassbezogenes Reporting zwischen Kunde, Versicherer und Makler abzustimmen, wenn es beispielsweise um besonders große oder schwere Haftpflichtschäden geht, die mit Wahrscheinlichkeit den SIR-Betrag ausschöpfen.
bei der Anspruchsprävention
im Hause des Kunden ein Augenmerk auf die Vermeidung von Anspruchsstellungen zu legen, indem beispielsweise auf beschwerde- und
damit anspruchsgeneigte Patienten proaktiv zugegangen wird. Eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Qualitäts-, Risiko-, Schaden- und Beschwerdemanagement ist hierfür unerlässlich;
aus Schadenfällen der Vergangenheit zu lernen. Dies zum einen unter Berücksichtigung von Auffälligkeiten bei Einzelschäden zum anderen auf aggregierter Ebene (Einschätzungen zu Tendenzen und Häufungen als Ansatz für das Risiko-/Qualitätsmanagement etc.);
anlassbezogene und/oder turnusmäßige Schulungen beziehungsweise Workshops durchzuführen, die sich mit haftungsrechtlichen Themen (wie Aufklärung, Dokumentation und Beweislast), versicherungstechnischen Fragestellungen oder Kommunikationfragen (beispielsweise Verhalten im Schaden- und Krisenfall) befassen.
im Vertragsmanagement
die implementierte Eigentragung stets an der individuellen Risikosituation des Kunden vorbeizuführen, auf strukturelle Veränderungen (Kauf/Verkauf von Tochtergesellschaften, Schließung von Stationen, neu hinzukommende oder entfallende Risiken, etc.) zu reagieren und die Eigentragung entsprechend anzupassen;
auf veränderte Marktbedingungen (wie neu hinzukommende Versicherer, geändertes Zeichnungsverhalten) zu reagieren und die Vertragskonzeption gegebenenfalls an neue rechtliche Rahmenbedingungen (zuletzt zum Beispiel § 95e SGB V: Pflichthaftpflichtversicherung für Ärzte) anzupassen;
für ungewisse Verbindlichkeiten handelsrechtliche Rückstellungen zu bilden. Da es sich in der Krankenhaus-Haftpflicht um ein Spätschaden-Risiko mit Schadenmeldeverzug handelt, sind professionelle Rückstellungsgutachten zu empfehlen, die durch eine unabhängige versicherungsmathematische Bewertung bei der Aufstellung des Jahresabschlusses der Kliniken unterstützen können.
Fazit
Im Ergebnis können SIR-Modelle wirtschaftliche Vorteile und mehr Entscheidungsspielraum für Krankenhäuser bieten. Denn nach wie vor ist das Angebot an Krankenhaus-Haftpflichtversicherern begrenzt und die Angebote zum Teil limitiert mit Blick auf Fachrichtungen oder individuelle Risikosituation.
Um die Chancen des SIR in der Praxis tatsächlich zu nutzen, bedarf es eines abgestimmten Zusammenspiels zwischen Kunde, Makler und Versicherer beim Schaden-, Vertrags- und Risikomanagement. Dabei ist es wichtig, die Prozesse und vertragliche Konzeptionierung regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen, kundenindividuell abzustimmen und an die Risikophilosophie des Kunden anzupassen.
Die Ecclesia Gruppe als Spezialmakler für das Gesundheitswesen bietet zu all diesen und weiteren relevanten Fragestellungen Unterstützung an und erarbeitet gemeinsam mit den Kunden eine individuelle Konzeptionierung.