Die Folgen der PpUGV in der Schadenpraxis
Die Folgen einer verspäteten Meldung/Nichteinhaltung der Untergrenzen
Der § 137i Abs. 4b und 5 SGB V legt fest, dass im Falle einer unvollständigen, verspäteten oder gar ausgebliebenen Meldung der Einhaltung der Pflegepersonaluntergrenzen (Abs. 4b) Vergütungsabschläge zu vereinbaren sind. Im Falle einer Nichteinhaltung der verbindlichen Pflegepersonaluntergrenze sieht Absatz 5 vor, dass eine Sanktion in Form von Vergütungsabschlägen oder einer Verringerung der Fallzahlen zu vereinbaren ist. Diese Vergütungsabschläge können unter Umständen in den Anwendungsbereich der Eigenschadendeckung einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung fallen (siehe Monitor 2/2019), sofern die Abschläge nachweislich vermeidbar waren und auf eine schuldhafte Pflichtverletzung einer versicherten Person zurückzuführen sind.
Mittlerweile ist die PpUGV gelebte Praxis, und die ersten Schadenfälle, die Vergütungsabschläge zum Gegenstand haben, liegen vor. Hauptsächlich geht es dabei um verspätete Meldungen und daraus resultierende finanzielle Sanktionen im mittleren bis hohen fünfstelligen Bereich. Diese Schadenfälle bieten Anlass genug, über erste Erfahrungen aus der Praxis und über die Schwierigkeiten in der Abwicklung zu berichten.
Die einschlägigen Versicherungsbedingungen sehen regelmäßig einen Ausschluss für Strafen, Bußen sowie Kosten derartiger Verfahren vor. Strafen und Bußen sind in Deutschland nicht versicherbar. Dies ist im Ergebnis sachgerecht, da durch eine Übernahme der Strafe oder Buße durch den Versicherer der maßregelnde Charakter dieser Strafmaßnahmen umgangen werden würde.
Die Haltung der Versicherer
Immer mehr Versicherer vertreten die Ansicht, dass ein Vergütungsabschlag als Strafe im Sinne des Ausschlusses zu qualifizieren sei und demnach eine Versicherungsleistung nicht in Aussicht gestellt werden könne. Begründet wird dies bislang im Wesentlichen damit, dass § 137i Abs. 5 SGB V von einer „Sanktion in Form von Vergütungsabschlägen“ spreche und damit von einer Strafe im Sinne des Ausschlusses auszugehen sei. Schließlich würden durch die Vergütungskürzung die Mängel im Hinblick auf die Meldung/die Nichteinhaltung der Untergrenzen sanktioniert und damit bestraft. Die Sanktion sei durch § 137i SGB V hoheitlich vorgegeben.
Diese Bedenken teilten verschiedene Versicherer auf die Schadenmeldung hin mit. Sie wollen gleichwohl meist zunächst noch den weiteren Verlauf abwarten. Endgültige Deckungsablehnungen erfolgten bislang deshalb noch nicht, da Vergütungsabschläge prospektiv vereinbart und damit zu erwarten, allerdings noch nicht tatsächlich festgesetzt sind.
Unsere Einschätzung
Die Haltung der Versicherer können wir juristisch nicht nachvollziehen. Daher teilen wir sie im Ergebnis nicht.
Wir bewerten die in § 137i SBG V festgelegten Sanktionen nicht als Strafe oder Buße im Sinne des Ausschlusses. Vielmehr handelt es sich unserer Einschätzung nach um eine Art Vertragsstrafe, die gerade nicht dem (klassischen) Ausschluss unterfällt.
Zu dieser Einschätzung gelangen wir aufgrund der folgenden Erwägungen: Ausschlüsse sind stets so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer diese verstehen würde. Mit anderen Worten: Es muss für Menschen ohne juristische/versicherungsrechtliche Fachkenntnisse erkennbar sein, was versichert ist und was dem Versicherungsschutz nicht (mehr) unterfällt. Unklarheiten gehen dabei zu Lasten des Versicherers. Diesen Maßstab berücksichtigend wird schnell deutlich, dass vom Wortlaut her nur Strafen und Bußen (sowie Kosten derartiger Verfahren) vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sein sollen. „Sanktionen“ werden von diesem Wortlaut gerade nicht umfasst. Eine beliebige Ausdehnung des Ausschluss-Umfangs verbietet sich zudem aufgrund der gebotenen engen Auslegung.
Der Ausschluss zielt unserer Lesart nach auf Strafen und Bußen im Sinne des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts ab. Das ist sachgerecht, damit der Charakter des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts erhalten bleibt. Bei den zu vereinbarenden Vergütungsabschlägen handelt es sich aber gerade nicht um eine solche Strafe oder Buße. Diese zeichnet sich durch eine einseitige hoheitliche Maßnahme aus, die strafrechtlich oder ordnungswidrigkeitenrechtlich relevantes Verhalten tat- und schuldangemessen ahnden soll. Die Vergütungsabschläge werden, so der Wortlaut von § 137i Abs. 5 SGB V, von den Vertragsparteien im Rahmen der Entgeltverhandlungen vereinbart. Hier fehlt es bereits an der Einseitigkeit.
Zugebenermaßen sieht §137i Abs. 1 S. 10 SGB V vor, dass „Sanktionen“ zu vereinbaren sind. Mit anderen Worten: Dass Vergütungsabschläge oder die Verringerung der Fallzahlen erfolgen beziehungsweise vereinbart werden, steht nicht zur Disposition, der Gesetzgeber gibt dies vor. Die konkrete Ausgestaltung der vorgegebenen Sanktion gibt der Gesetzgeber dann wiederum in die Verantwortung der Vertragsparteien. Hieraus wird deutlich, dass es sich gerade nicht um eine einseitige hoheitliche Maßnahme handelt: Die Verhängung von tat- und schuldangemessenen Strafen ist als hoheitliche Maßnahme anzusehen, die aufgrund der Gewaltenteilung allein der Judikatur und den Ordnungsbehörden obliegt.
Ganz wesentlich ist darüber hinaus noch, dass die Vergütungsabschläge keine Folge eines strafrechtlich oder ordnungswidrigkeitenrechtlich relevanten Verhaltens sind. Vielmehr ist eine Vertragspartei (das Krankenhaus) ihren Mitteilungspflichten nicht nachgekommen. In der Folge wird die Vergütung für die erbrachten Leistungen gekürzt.
Es wird zunächst abzuwarten sein, wie die Versicherer sich im weiteren Verlauf der versicherungsrechtlichen Aufarbeitung verhalten werden. Die bisherige Argumentationslinie ist unserer Auffassung nach jedenfalls nicht aussagekräftig genug und damit nicht geeignet, um den Deckungsschutz zu versagen.
Als Interessenvertreter unserer Kunden stehen wir hierzu im Kontakt mit den Versicherern und setzen uns argumentativ für Sie ein, um so ein Umdenken auf Seiten der Assekuranz zu erreichen.