„Eine geschulte Belegschaft ist die beste Präventionsmaßnahme im Brandschutz“
BILD
Der studierte Brandschutzingenieur gehört seit Februar 2024 als Risk Consultant zum Team der deas. Bereits im Vorfeld war er im Bereich Brandschutz und im Versicherungsbrandschutz tätig. Außerdem ist der 30-Jährige seit seiner Jugend aktives Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr.
1. Herr Hager, wie sieht Ihr Haupttätigkeitsfeld bei der deas im Detail aus?
Als Risk Consultant ist es meine Aufgabe gemeinsam mit weiteren Kolleginnen und Kollegen, zu den Kunden zu fahren und ihre Standorte, Gebäude und Anlagen im Hinblick auf Feuer- und Betriebsunterbrechungsgefahren zu besichtigen. Unser Interesse und das unserer Kunden ist dasselbe: Wir möchten Schwachstellen identifizieren und den Betrieb präventiv gegen Feuer- und Brandrisiken rüsten, damit erst gar kein Schaden entstehen kann. Im Zuge unserer Begehung informieren wir den Kunden auch dahingehend, welche Anforderungen die Versicherer mitbringen. Nach der Besichtigung schreiben wir einen Bericht, der Handlungsempfehlungen enthält, die der Kunde im Idealfall umsetzt, bevor wir im nächsten Schritt die Feuer- und Betriebsunterbrechungsversicherungen ausschreiben. Hat der Kunde anschließend seine individuellen Versicherungen abgeschlossen, endet unser Tätigkeitsfeld aber nicht. Denn auch bei möglichen versicherungsrelevanten Aus- und Umbautätigkeiten unterstützen wir unsere Kunden.
2. Inwiefern beeinflusst Ihre Tätigkeit bei der Feuerwehr Ihren Blick auf die Gegebenheiten bei Kundenterminen?
Durch meine Erfahrungen aus meiner freiwilligen Tätigkeit als Feuerwehrmann habe ich einen ganz anderen Blickwinkel. Ich sehe erst das Große und Ganze und gehe von dort aus immer weiter ins Detail. Das ist ein sogenannter Würfelblick, dadurch bin ich in der Lage in wenigen Sekunden die Situation einzuschätzen und die wichtigen Dinge herauszufiltern und zu selektieren. Bei Kundenterminen brennt es in der Regel nicht – bei Feuerwehreinsätzen ist das natürlich anders, da zählt jede Sekunde und ich muss unter enormem Zeitdruck die Situation schnell erfassen. Mein Blick auf den Betrieb wird aber auch ohne tatsächlichen Brand von dieser Methode beeinflusst.
3. Welche speziellen Risiken sehen Sie immer wieder, die Menschen – ohne sachverständigen Hintergrund – nicht auffallen?
Das sind insbesondere viele organisatorische Dinge, die aus Gewohnheit oder Bequemlichkeit entstehen, was ein sehr menschlicher Zug ist. In der Welt der Versicherungen müssen wir darauf jedoch ein Auge haben. Solche Risiken sind beispielsweise mit Kisten unzugänglich verstellte Feuerlöscher, abgedeckte Elektrogeräte oder Geräte, die in Steckdosen eingesteckt gelassen werden, obwohl sie über Wochen nicht verwendet werden. Sicherlich sind diese Risiken eher gering, aber man kann diese vermeiden, deswegen zeigen wir den Kunden diese Mängel auf. Außerdem können diese Dinge für die Versicherungsgesellschaften Brandschutzmängel darstellen. Das gilt generell häufig für Notlösungen, die Menschen sich aus praktischen Gründen einfallen lassen. Ich habe zum Beispiel einmal einen Arbeitstisch in der Mitte einer Halle gesehen, zu dem die Stromkabel von der Decke aus senkrecht heruntergelassen und mit Gaffer-Tape zusammengeklebt waren. Das ist ein Risiko, weil Stromwärme erzeugt wird. Kabel auf diese Art zusammenzukleben, ist keine sichere Lösung.
4. Welche nützlichen Tipps können Sie Entscheidern zum aktiven Risk Management geben?
Wer verantwortlich für den Brandschutz ist, sollte darauf achten, dass der Weg zu einem Feuerlöschgerät maximal 20 Meter beträgt. Besonders wichtig ist eine gute Präventionsarbeit. Die Belegschaft sollte durch regelmäßige Brandschutzschulungen und -unterweisungen sensibilisiert werden. Dadurch können Fehler im Betrieb vermieden werden. Der Mensch ist, besonders durch Handlungen aus Unwissenheit, eine große Gefahr für die Entstehung von Bränden. Integriert ein Unternehmen die Mitarbeitenden in die Schutzmaßnahmen, achten die Menschen automatisch besser auf bestimmte Dinge wie beispielsweise die Zugänglichkeit von Feuerlöschern.
5. Kleiner Exkurs: Immer wieder melden die Medien brennende E-Autos in Tiefgaragen. Wie bewerten Sie das?
Hierbei gibt es zwei große Probleme. Erstens entsteht in Tiefgaragen eine starke Rauchentwicklung. Natürlich ist die Feuerwehr auf so einen Fall vorbereitet, doch die Situation lässt die Kameradinnen und Kameraden nur schwer vorankommen. Zweitens können E-Autos grundsätzlich schlecht gelöscht werden. Beim Verbrennen produzieren die Lithium-Ionen-Akkus Sauerstoff und können sich somit immer wieder selbst entzünden. Daher werden E-Autos auch 24 Stunden in einen Wassercontainer gestellt, um zu verhindern, dass der Brand noch einmal entfachen kann. In Tiefgaragen ist das mit dem Wassercontainer natürlich nicht umsetzbar. Das Fahrzeug muss dafür erst einmal aus der Garage herausbefördert werden – aber das ist ein riesiger Aufwand, weil die Räder der Fahrzeuge ohne Strom blockiert sind und nicht bewegt werden können. Die E-Autos müssen also mit kleinen Rollen unterbaut und hinausgeschoben werden. Für die Akkus gibt es sogenannte Speerspitzen, aus denen vorne Wasser austritt, die die Feuerwehr in die Batterien rammt. Das funktioniert, ist aber sehr umständlich. Darüber hinaus entstehen bei solchen Bränden häufig auch Schäden im direkten Umfeld des Fahrzeugs, zum Beispiel an umstehenden Autos, aber eventuell auch an der Bausubstanz der Tiefgarage.
6. Schätzen Sie Wallboxen in Tiefgaragen ebenso als Gefahr ein?
Wallboxen sind kein großes Problem. Da brennt nicht so viel und sie können im Brandfall einfach gelöscht werden. Geht es jedoch darum, dass ein Kunde Ladestationen auf seinem Betriebsgelände einrichten möchte, empfehlen wir einen ausreichenden Abstand zu Gebäuden und Anlagen einzuhalten. So können potenzielle Brände, an Fahrzeugen oder Wallboxen, nicht auf die Gebäude übergehen.
7. Müssen Ihres Erachtens bauliche Änderungen in Parkhäusern vorgenommen werden, um die Löscharbeiten zu vereinfachen?
Es wäre sicherlich hilfreich, wenn die Feuerwehr die Fahrzeuge einfacher herausmanövrieren könnte. Denn ein großes Problem sind die Einfahrten, die in der Regel sehr schmal sind. Klare Vorgaben für bauliche Änderungen wie zum Beispiel die Installation von Wallboxen gibt es derzeit nicht – auch nicht von den Versicherungsgesellschaften. Der GDV hat ein Merkblatt zum Einbau von Ladestationen in Garagen veröffentlicht, auf welches manche Risikoträger ihre Vertragspartner hinweisen. Jedoch sollte das Thema rund um E-Autos und Wallboxen in Tiefgaragen nicht überdramatisiert werden. Sicherlich ist die Brandlöschung der Akkus aufwendiger als das Löschen von herkömmlichen Verbrennern, dennoch gibt es keine belastbaren Zahlen darüber, dass Fahrzeuge mit elektronischem Antrieb häufiger in Flammen stehen als andere Antriebe.