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Einheitlicher Versorgungsstandard in Hebammenkreißsälen

GRB und Deutscher Hebammenverband entwickeln ein Zertifikat

Die GRB Gesellschaft für Risiko-Beratung mbH, ein Tochterunternehmen der Ecclesia Gruppe und Schwesterunternehmen der hevianna Versicherungsdienst GmbH, hat gemeinsam mit dem Deutschen Hebammenverband e. V. (DHV) ein Auditverfahren für das Versorgungsmodell Hebammenkreißsaal entwickelt. Damit können sich Hebammenkreißsäle zertifizieren lassen und bestätigen somit die Versorgungsqualität im Sinne von Mutter und Kind.

Ein Hebammenkreißsaal ist ein ergänzendes Versorgungsmodell zu einem bereits bestehenden Kreißsaal. Hebammen betreuen eigenverantwortlich gesunde Schwangere ohne Risikofaktoren, auf Grundlage eines interdisziplinär abgestimmten Selektionskriterienkatalogs. Die GRB und der DHV haben dafür ein Verfahren entwickelt, das einen Qualitätsstandard für Hebammenkreißsäle festlegt und für Transparenz sorgt. Nach einem erfolgreichen Durchlaufen des Auditverfahrens, das von der GRB durchgeführt werden kann, verleiht der Hebammenverband das Zertifikat „Hebammenkreißsaal Plus (HKS+)“ an den zuvor geprüften Hebammenkreißsaal.


Die Diskussion um den hebammengeführten Kreißsaal

Bislang hat sich das Modell des Hebammenkreißsaals nicht durchgesetzt. Die Meinungen von Hebammen und Gynäkologen sind unterschiedlich; während die einen diesen befürworten, lehnen andere ihn ab. Trotz wissenschaftlicher Belege, die für die Sicherheit von Mutter und Kind sprechen. Zudem gibt es bei einer Einführung des Hebammenkreißsaals eine Unterstützung mit Landesfördermitteln. Außerdem bietet das Modell eine Möglichkeit zur Gewinnung und Bindung von Hebammen.

Die Gründe für die Ablehnung sind vielfältig. Es fehlt bereits an Hebammen, sodass dafür keine personellen Ressourcen bereitstehen. Es existieren Ängste in Bezug auf Haftungsrisiken und einige sehen die Sicherheit von Mutter und Kind gefährdet – trotz wissenschaftlicher Belege. Zudem existiert die Meinung, dass die Geburtshilfe bereits sehr „hebammenorientiert“ ist und der Hebammenkreißsaal keine Verbesserung für die Schwangeren bringt und auch nicht zur Personalgewinnung dient. 

Dazu kommt, dass einige Geburtshilfen das Versorgungsmodell nicht einführen, aber mit einer „Hebammengeburt“, einer „hebammengeleiteten Geburt“ oder einem „Hebammenkreißsaal“ werben. Diese Modelle entsprechen jedoch nicht den in der Literatur und Wissenschaft beschriebenen Merkmalen. Die Benennung  ist aber möglich, weil es keine allgemeingültige Definition für einen Hebammenkreißsaal gibt. Diese vielfältigen Argumente, Ansichten und Vorgehensweisen führen dazu, dass es bei Schwangeren, Hebammen und Gynäkologen derzeit kein einheitliches Verständnis zum Hebammenkreißsaal gibt. Um einen einheitlichen Qualitätsstandard im Hebammenkreißsaal im Sinne von Mutter und Kind sichtbar zu machen, haben die GRB und der DHV nun das HKS+Zertifikat entwickelt.


Risiko- und Haftungsminderung

Geburtshilfe ist ein Hochrisikobereich und ein Hebammenkreißsaal kann in jeder stationären Geburtshilfe entstehen. Die Entwicklungen der letzten Zeit zeigen ein zunehmendes Interesse an dieser Versorgungsform, jedoch fehlt es an Standards und Transparenz gegenüber Dritten. Das Interesse der Versicherer an Maßnahmen, die zur Risiko- und Haftungsminderung im Bereich Geburtshilfe beitragen, ist aufgrund der hohen Schadenersatzforderungen immens. Auch die Krankenhäuser selbst sind bestrebt, aktiv zu handeln, um mögliche Überlimitschäden zu vermeiden. Die Kombination aus Merkmalen des Hebammenkreißsaals, Patientensicherheit und Haftungsaspekten ist geeignet, um vorhandene Lücken im Sicherheitsnetz eines Hebammenkreißsaals aufzudecken und zu schließen. Darin liegende Vorbehalte und Bedenken bei Klinikmanagern und Mitarbeitenden gegen eine Implementierung sollen mit dem Erwerb des HKS+Zertifikats abgebaut werden. Da üblicherweise dieselben Hebammen im Hebammenkreißsaal und im interdisziplinären Kreißsaal arbeiten, ist zudem von Synergieeffekten auszugehen, wie der Übertragung einer risikoaffinen Denk- und Arbeitsweise.


Positive Darstellung des Hebammenkreißsaals

Die Vergabe des Zertifikats ist auch ein Anlass, die Geburtshilfe positiv in den Medien darzustellen. Zeigt es doch, dass wissenschaftliche Erkenntnisse in der Praxis umgesetzt werden und die von den Frauen gewünschte Eins-zu-eins-Betreuung einen hohen Stellenwert bei den Hebammen hat. Da der Erhalt des Zertifikats an Anforderungen geknüpft ist, trägt es zur Transparenz gegenüber Schwangeren bei. Ein zertifizierter Hebammenkreißsaal kann auch die Arbeitgeberattraktivität steigern.


Anforderungen

Die Anforderungen an einen Hebammenkreißsaal bestehen aus drei Themenkomplexen:

  1. Es wird die Umsetzung des Versorgungsmodells mit den in der Literatur beschriebenen Merkmalen gefordert. Dazu gehört beispielsweise die Eins-zu-eins-Betreuung der Gebärenden, ein einheitliches Qualifikationsniveau im Hebammenteam und die Vereinbarungen mit den Gynäkologen in Bezug auf die Risikoselektion der Schwangeren.
     
  2. Der zweite Themenkomplex fordert die Umsetzung von Maßnahmen der Patientensicherheit. Nicht nur die Nutzung von Instrumenten des klinischen Risikomanagements – wie die Verwendung des Fehlermeldesystems – wird geprüft, sondern auch die direkte praktische Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen im Geburtsprozess. Dazu gehört die Einhaltung eines Vier-Augen-Prinzips bei der Bewertung des Geburtsverlaufs ebenso wie die Kontrolle der Anzahl der Tupfer bei der Versorgung von Geburtsverletzungen.
     
  3. Der letzte Themenkomplex soll die Risiken einer möglichen Haftung weitestgehend reduzieren. Haftung resultiert zum Teil auf Fehlern und Lücken in der Dokumentation, aber auch auf zu späte Reaktionen und der Hinzuziehung von Ärzten bei auffälligen Geburtsverläufen. Deshalb werden die Vereinbarungen mit den Gynäkologen und deren Anwendung kritisch hinterfragt. Zudem werden die Krankenunterlagen nach dem Kriterium der Nachweisbarkeit gegenüber Dritten geprüft.

Die einzelnen Prüfkriterien sind den verschiedenen Kategorien zugeordnet:

  • der Konzeptionierung des Hebammenkreißsaals,
  • dem Selektions- und Kriterienkatalog,
  • der Aufklärung der Schwangeren,
  • der Qualitätssicherung,
  • den Instrumenten des klinischen Risikomanagements,
  • der Öffentlichkeitsarbeit,
  • festgelegte geburtshilfliche Vorgehensweisen,
  • dem Notfallmanagement,
  • dem Personalmanagement und
  • der Dokumentation.


Ablauf des Auditverfahrens

Der Ablauf des Verfahrens ist in der Kooperationsvereinbarung zwischen GRB und Hebammenverband festgelegt. Der Kunde beauftragt eine externe Prüfgesellschaft mit der Durchführung des Verfahrens. Die Prüfgesellschaft muss dazu vom Hebammenverband autorisiert sein, da die Auditorinnen und Auditoren bestimmte Qualitätsvorgaben einzuhalten haben. Bei der Auditorin muss es sich beispielsweise um eine Hebamme mit Berufserfahrung und einer gültigen Zertifizierung im klinischen Risikomanagement handeln. 

Kunde und Prüfgesellschaft binden sich über die gesamte Laufzeit des Verfahrens vertraglich, diese beträgt 36 Monate. 

Das Verfahren kann starten, wenn die ersten Anmeldungen von Schwangeren für die Geburt im Hebammenkreißsaal vorliegen, da zu diesem Zeitpunkt die Projektphase der Implementierung abgeschlossen sein wird. In einem Erstaudit prüft die Auditorin in Interviews, Begehung, Einsichtnahme in Unterlagen und Patientenakten, ob die Prüfkriterien erfüllt sind. Ist das der Fall, wird dem Hebammenverband das Ergebnis mitgeteilt und die Vergabe des HKS+Zertifikats empfohlen. Der Hebammenverband als Eigentümer des Zertifikats setzt sich mit dem Kunden für einen Termin zur Übergabe des Zertifikats in Verbindung. 

Kann keine Vergabe empfohlen werden, einigen sich die Prüfgesellschaft und der Hebammenverband auf das weitere Vorgehen, gegebenenfalls werden in einer Nachprüfung – innerhalb von sechs Monaten nach dem Erstaudit – die fehlenden Anforderungen nachgewiesen.

Zwölf Monate nach der Zertifikatsvergabe erstellt der Kunde eine Selbstauskunft, in der er die Weiterentwicklung darstellt. Diese wird vom Auditor geprüft und dieser teilt das Ergebnis dem Hebammenverband mit. Das Zertifikat kann weitergeführt werden, wenn der Auditor zum Schluss kommt, dass die festgelegten Anforderungen erfüllt sind.

Nach weiteren 24 Monaten wird durch den Auditor ein kollegialer Dialog mit Hebammen, Gynäkologen und weiteren Beteiligten zum Hebammenkreißsaal vor Ort geführt. Zudem prüft die Auditorin noch einmal Krankenunterlagen und eventuelle Änderungen von Vereinbarungen. Sollten wieder alle Anforderungen erfüllt sein, empfiehlt die Prüfgesellschaft dem Hebammenverband das Weiterführen des Zertifikats.

Das Verfahren ist nach insgesamt 36 Monaten beendet. Wenn das Zertifikat des Hebammenverbandes weitergeführt werden soll, muss es erneut beantragt werden.

Der Hebammenverband und die GRB möchten die Einrichtung von mehr Hebammenkreißsälen fördern. Diese sollten nach den festgelegten Qualitätsstandards geführt werden, im Sinne von Mutter und Kind, aber auch für eine Transparenz bei den Mitarbeitenden und dem Krankenhaus sorgen. So wie bei anderen Zertifizierungsverfahren im Gesundheitswesen soll mit diesem gegenüber Schwangeren, Versicherern und weiteren Interessierten die Qualität der Versorgung verdeutlicht werden.


Redaktion
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