Hitze und Dürre bilden die größten Gefahren
Der Kampf gegen den Klimawandel ist nur im globalen Schulterschluss zu gewinnen. Wer damit rechnet, verhält sich aber eher naiv. Zu diesem Urteil kommt der Erdinger Meteorologe und Klimaforscher Dr. Michael Sachweh. Sein Rat lautet daher: Der Vorbereitung auf die wohl unvermeidlichen Folgen des Klimawandels sollte mehr Bedeutung eingeräumt werden. Denn dort werden die Menschen die Konsequenzen der klimatischen Veränderungen besonders spüren.
„Rheinpegel sinkt immer weiter“, „Dürre-Alarm in ganz Deutschland“, „Dürre sogar aus dem Weltraum zu sehen“… Schlagzeilen dieses Sommers, die Meteorologe Dr. Michael Sachweh nicht weiter wundern. Hitze- und Dürreperioden stellen seiner Auffassung nach die größten Herausforderungen dar, die der Klimawandel für unsere Breitengrade mit sich bringt – sowohl für die Natur als auch für die Menschen. Geht der Klimawandel so weiter – und Dr. Michael Sachweh sieht nichts, was dagegenspricht – dürfte sich die hitzebedingte Hospitalisierungsrate zum Ende des Jahrhunderts mindestens um das Vierfache erhöht haben, in einigen Regionen Deutschlands um das Zehnfache. Außerdem sind Hitze und Dürre bereits für viele Todesopfer verantwortlich – mehr als die Medienberichterstattung vermuten lässt. „Am wichtigsten erscheint mir daher der Schutz vor den Hitzewellen. Dazu sind viel mehr klimatisierte Räume notwendig, vor allem auch in Altenheimen und Krankenhäusern“, sagt er. Denn bei der Klimatisierung sei Deutschland noch ein Entwicklungsland.
Michael Sachweh ist als Meteorologe wesentlich für den Bayerischen Rundfunk tätig. Er war aber auch in der Klimaforschung aktiv, hat mehrere Bücher zur Wetterkunde verfasst und war zuletzt der leitende Meteorologe der europäischen Leichtathletikmeisterschaften in München. Außerdem hat er einen weltweit bekannten Namen als „Stormchaser“, als „Unwetterjäger“, der die schweren Unwetter und Tornados im mittleren Westen der USA und die Hurrikane an den Küsten erforscht (siehe sein Buch „Stormchasing“, Delius Klasing Verlag). Das Klima und die Zusammenhänge sowie die Folgen für unser Wetter begleiten ihn durch sein Berufsleben. Der Erdinger schaut darauf mit den nüchternen Augen eines Wissenschaftlers. „Der Klimawandel hat auch Vorteile, zum Beispiel, wenn die Polarmeere eisfrei werden und sich der Seeweg nach Asien signifikant verkürzt, was die Handelsschifffahrt beflügelt und Wirtschaftsgüter preisgünstiger macht. Aber er hat eben auch negative Folgen, gegen die wir uns wappnen müssen“, mahnt der Wetterkundler und präsentiert eine ganze Reihe von Schaubildern. Sie verdeutlichen diese Folgen.
Der Klimawandel ist menschengemacht
Seit Mitte der 1980er Jahre steigt die durchschnittliche Jahrestemperatur auf dem Erdball kontinuierlich an. Ein ums andere Mal werden die bisherigen Rekorde geknackt. Mittlerweile liegt die globale Temperatur um durchschnittlich ein Grad höher als der Mittelwert der Jahre 1951 bis 1980. „Hier zeigt sich der anthropogene, menschengemachte, Klimawandel“, unterstreicht Dr. Sachweh. Verantwortlich dafür ist der immense Ausstoß von Kohlendioxid durch die Verbrennung fossiler Energieträger. Er wächst exponentiell an. Seit 1950 hat sich dieser Wert versiebenfacht. Jährlich bläst die Menschheit rund 35 Milliarden Tonnen Kohlendioxid in die Luft, und auch der Corona-bedingte minimale Rückgang in den vergangenen zwei Jahren ändert daran nichts wirklich. Die Atmosphäre reichert sich mit diesem Gas an; das verhindert, dass die von der Sonne am Erdboden erzeugte Wärmeenergie komplett wieder in den Weltraum zurückgegeben wird. Stattdessen heizt sich die Atmosphäre auf – der Treibhauseffekt.
Dieser führe in erster Linie bei uns zu mehr Trockenheit sowie anhaltenderen Hitze- und Dürreperioden, wie wir sie in diesem Sommer 2022 einmal mehr erlebt haben. Auch in Deutschland wird es von Jahr zu Jahr wärmer. Statistisch gesehen nehmen die Hitzetage deutlich zu, die Tage mit Schneedecke im Winter hingegen ab, die Jahres-Durchschnittstemperatur steigt an.
Nun waren die vergangenen Jahre vor allem geprägt durch schwere Stürme wie „Friederike“ oder das Trio „Xandra“, „Ylenia“ und „Zeynep“ aus dem Februar 2022. Außerdem befinden wir uns im Jahr nach „Bernd“, dem Tiefdruckgebiet, das für die größte und opferreichste Naturkatastrophe in Deutschland verantwortlich war. Wie passt das zusammen?
Die Tiefdruckgebiete ziehen langsamer
„Ein Sturmwinter ist noch kein Langfristtrend“, gibt Dr. Michael Sachweh zu Bedenken. Zwar waren die vergangenen Jahre durch schwere Stürme geprägt, die Statistiken zeigen jedoch, dass sich die Zahl der Wirbelstürme weltweit nicht erhöht hat. Auch in Deutschland in der langfristigen Betrachtung über die vergangenen sieben Jahrzehnte nicht mehr Tage mit Orkanböen registriert werden, sondern deutlich weniger.
Auch das erklärt sich durchaus aus dem Klimawandel. Zu seinen Kennzeichen gehört, dass sich die Polarregionen stärker erwärmen als die Tropen. Der globale Nord-Süd-Temperaturunterschied, der Motor der Sturmtiefentwicklung ist, lässt dadurch nach. Mit der Folge, dass große Winterstürme seltener werden.
Beim Thema Starkregen sind die Mechanismen ebenfalls diffiziler als zunächst gedacht. Ein Blick auf die Statistiken zeigt Dr. Michael Sachweh, dass die Anzahl der Tage mit einem Niederschlag von mehr als 20 Liter/Quadratmeter in Deutschland nicht zugenommen hat, sondern die Kurve sogar leicht nach unten zeigt. Mehr Starkregentage gibt es also nicht, aber… „Der Klimawandel begünstigt extremen, räumlich konzentrierten Starkregen“, führt Dr. Sachweh das Thema weiter. Die Wolken entladen ihre Regenmassen stärker an einem Punkt, weil die Tiefdruckgebiete langsamer ziehen. Das wiederum ist eine Ausprägung des Klimawandels. Denn verantwortlich für die Geschwindigkeit der Hochs und Tiefs ist der Jetstream, genauer der polare Strahlstrom, ein schnelles Windband in den höheren Schichten der Wettersphäre der Atmosphäre (Troposphäre). Wie ein Förderband steuert der Jetstream die Abfolge von Hoch- und Tiefdruckgebieten über die nördliche Halbkugel der Erde. „Die Strömung ist langsamer geworden, das heißt, die Wettersysteme verharren länger an einer Stelle und regnen dort länger ab – jüngstes Beispiel ist das verheerende Tief „Bernd“ im Juli 2021, das zur Ahrtal-Flutkatastrophe führte. Aus dem gleichen Grund dauern Hochdruckphasen länger an und lassen dadurch Sommerhitze und Dürregefahr zunehmen“, erklärt der Meteorologe.
Trendumkehr? Unwahrscheinlich
Unterm Strich gelte es also für Versicherungswirtschaft genauso wie für die Wirtschaft und andere Bereiche des Lebens, sich auf mehr Hitzewellen, Dürreperioden und lokal starke Regenereignisse einzustellen, fasst Dr. Sachweh zusammen. Natürlich müsse weiterhin auch alles getan werden, um den Klimawandel zu bekämpfen, aber letztlich gibt sich der Fachmann keinen Illusionen hin. Die größten CO2-Emittenden sind China, die USA, Indien und Russland; gerade in China wächst der Kohleverbrauch immer noch an. Dr. Sachweh: „Eine nachhaltige Eindämmung des Erwärmungstrends gelingt nur durch einen globalen Schulterschluss beim Klimaschutz. Dieser muss durch alle am Erwärmungstrend maßgeblich beteiligten Nationen geleistet werden. Es ist löblich, das anzustreben – aber naiv, einen Erfolg für wahrscheinlich zu halten.“
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