Verschärfte Haftungssituation durch Lieferkettengesetz

Das Sorgfaltspflichtengesetz tritt zum 1.1.2023 in Kraft

Kleidung aus Bangladesch, Metalle aus China oder Rohstoffe aus Afrika – Produkte und Vorprodukte werden an verschiedenen Orten der Welt produziert. Die Arbeitsbedingungen sind dort allerdings häufig prekär. Dies zeigte nicht nur der Einsturz eines Fabrikgebäudes 2013 in Bangladesch. Bei diesem Unglück starben über 1.100 Menschen. Zukünftig sind es nicht mehr nur die moralischen Gründe, die gegen den Einkauf von unter diesen Bedingungen hergestellten Waren sprechen.

Um die Einhaltung von Menschenrechten entlang der Lieferkette zu stärken und auch Themen wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit voranzubringen, tritt zum 1. Januar 2023 das Lieferkettengesetz in Kraft und gilt zunächst für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden. Ein Jahr später wird es dann auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden ausgeweitet. Nach dem Gesetz müssen die Unternehmen für ihre eigenen Niederlassungen/Gesellschaften sowie auch für ihre unmittelbaren Zulieferer Verantwortung übernehmen. Es bringt auch Auswirkungen auf das Risikomanagement der Unternehmen, zum Beispiel die Verpflichtung zur Einführung von entsprechenden Prozessen, konkreten Risikomanagementverfahren, Präventionsmaßnahmen, Beschwerdemanagement und Dokumentations- und Berichtspflichten sowie auch für den Risikotransfer, mit sich.


Auswirkungen auf die betrieblichen Versicherungen:

Betriebs- und Produkthaftpflicht

Ob deliktische Schadenersatzansprüche bei einem Verstoß gegen das LkSG in Betracht kommen, wird zukünftig die Rechtsprechung zeigen. Der Wortlaut des § 3 Abs.3 S.1 LkSG spricht allerdings gegen den Schutzgesetzcharakter des LkSG („Eine Verletzung der Pflichten aus diesem Gesetz begründet keine zivilrechtliche Haftung.“) wie es Voraussetzung für eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB ist. Sonstige zivilrechtliche Ansprüche bleiben allerdings gemäß § 3 Abs.1 S.2 LkSG bestehen („Eine unabhängig von diesem Gesetz begründete zivilrechtliche Haftung bleibt unberührt.“). Die Anwendung des § 823 Abs.1 BGB ist somit denkbar. Sollte die Rechtsprechung davon ausgehen, dass zum Beispiel § 823 Abs.1 BGB eingreift, könnten Ansprüche direkt in Deutschland gegen den Produzenten/Endabnehmer geltend gemacht werden. Neben möglichen (versicherten) Personen kommen zum Beispiel auch Sachschäden in Betracht. Allerdings erscheint es möglich, auch hierfür Versicherungsschutz zu erlangen, da kein diesbezüglicher Ausschluss in der allgemeinen Vermögensschadendeckung in der Betriebshaftpflichtversicherung zu erkennen ist.


Straf-Rechtsschutzversicherung

Rechtsverteidigungskosten können als unmittelbare Auswirkungen bei möglichen Straf- oder Bußgeldverfahren im Zusammenhang mit dem neuen Gesetz über die Unternehmens-Straf-Rechtsschutzversicherung abgesichert sein.


D&O-Versicherung

Nicht auszuschließen ist, dass auf dem Wege des Innenregresses die Unternehmensmanager wegen etwaiger Complianceverstöße persönlich haftbar gemacht werden und somit Kosten und Schäden entstehen, die über die D&O-Versicherung versichert sein könnten.

Die Anforderungen an Unternehmen und deren Lieferantenmanagement in der gesamten Lieferkette werden durch das Sorgfaltspflichtengesetz erhöht. Führen Unternehmen in diesem Zusammenhang nicht ausreichend wirksame Compliance-Management-Systeme ein, so können die zuständigen Manager wegen Pflichtverletzungen in die Haftung genommen werden. Das gegen das Unternehmen verhängte Bußgeld könnte als Bilanzschaden des Unternehmens gegen den verantwortlichen Manager regressiert werden.

Bei den am Markt sehr unterschiedlichen Bedingungswerken der Versicherer trennt sich dann die Spreu vom Weizen: Ein Großteil der Bedingungswerke schließt die Übernahme von Bußgeldern im Rahmen der D&O grundsätzlich aus beziehungsweise würde diese nur ersetzen, wenn dem kein gesetzliches Versicherungsverbot entgegensteht. Einige wenige Bedingungswerke bieten zumindest die Übernahme der Abwehrkosten zur Verteidigung des Managers für den Fall der Regressnahme an.

Nicht auszuschließen sind auch mögliche Drittansprüche durch Wettbewerber, die sich durch mögliche Rechtsverletzungen im Sinne des Sorgfaltspflichtengesetzes im Wettbewerb benachteiligt sehen. Auch hier würde im Falle einer unmittelbaren Inanspruchnahme des Managers oder auch auf dem Wege des Innenregresses die D&O-Versicherung greifen.

Im Ergebnis haben wir es wieder mit einer Haftungsverschärfung zu tun, die sich mit Ansprüchen und Schäden auf die D&O-Versicherung auswirken wird. Aufgrund der aktuellen Marktsituation kann dies ein weiterer Anlass für die Versicherer sein, ihre Zeichnungskapazitäten zu reduzieren, Prämien anzuheben und Bedingungen weiter einschränken zu wollen.


Weitere Entwicklung: EU-Lieferkettengesetz

Inzwischen liegt ein Entwurf für ein EU-Lieferkettengesetz vor, das dann auch für Deutschland gelten würde beziehungsweise in deutsches Recht umzusetzen wäre. Einem ersten Entwurf zufolge soll dieses EU-Gesetz weitergehen als die deutsche Variante. Voraussichtlich wird dieses noch vor der Europawahl im Frühjahr 2024 verabschiedet sein.

Jörg Linnert