Branchen Sozialwirtschaft

Warum Solidarität so wichtig ist

Interview mit Sirkka Jendis, Geschäftsführerin des Tafel Deutschland e.V.

Der 2. ZukunftsKongress „Sozialwirtschaft managen“ stand in diesem Jahr unter einem Schwerpunktthema, das der Kern der Sozialwirtschaft ist: Solidarität. Sie gehört zu den wesentlichen Voraussetzungen für das erfolgreiche Arbeiten von Unternehmen und Institutionen der Sozialwirtschaft. Sirkka Jendis, Geschäftsführerin des Tafel Deutschland e.V., widmete sich auf der Veranstaltung in ihrem Impulsvortrag „Gelebte Solidarität“ den Herausforderungen gesellschaftlichen Engagements in Krisenzeiten. Was der Begriff für sie bedeutet und wie die Tafel gesellschaftliche Solidarität fördert, erläutert sie im Interview.

Was bedeutet für Sie der Begriff Solidarität?
Solidarität bedeutet für mich, dass die Gesellschaft Verantwortung für alle ihre Mitglieder übernimmt und dafür Sorge trägt, dass niemand zurückgelassen wird. Es ist die Grundidee, dass Menschen sich insbesondere in herausfordernden Zeiten gegenseitig unterstützen und füreinander einstehen. Solidarität ist dann auch eine Quelle von Stärke, wenn das Gefühl unter Menschen entsteht, Teil einer größeren Gemeinschaft zu sein und positive Veränderungen bewirken zu können. Es kann eine Form der Selbstbestätigung und Selbstwirksamkeit sein, wenn man sich für Werte und Überzeugungen einsetzt, an die man glaubt und gemeinsam mit Gleichgesinnten für etwas eintritt. Das Ehrenamt steht vor einer Reihe von Herausforderungen, insbesondere in der heutigen krisengeprägten Zeit. 


Wie können Menschen, die sich für andere einsetzen wollen, unterstützt werden?
In Krisenzeiten oder in Notsituationen spielen ehrenamtliche Helferinnen und Helfer oft eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung von Herausforderungen und der Unterstützung von Betroffenen. Ihre Bereitschaft, in schwierigen Zeiten Solidarität zu zeigen und anderen zu helfen, ist ein wesentlicher Bestandteil des ehren­amtlichen Engagements und kann gar nicht hoch genug angesehen werden. Wir haben jedoch besonders in den letzten Jahren gesehen, wie sehr die Tafel-Aktiven aufgrund der multiplen Krisen an ihre Belastungsgrenze gerieten. Die zahlreichen Ehrenamtlichen – alleine bei den Tafeln in Deutschland sind es etwa 95 Prozent unserer 60.000 Helferinnen und Helfer – halten den Betrieb in so vielen wichtigen Bereichen aufrecht und sorgen unter anderem dafür, dass armutsbetroffene Menschen mit Lebensmitteln unterstützt werden. Ohne das Ehrenamt würde in Deutschland vieles nicht funktionieren. Entscheidend ist, dass die Politik die strukturellen Rahmenbedingungen dafür setzt und dem Ehrenamt die Wertschätzung entgegenbringt, die es verdient. 


Wie steht es grundsätzlich um die Solidarität in unserer Gesellschaft?
Ich denke, dass Solidarität nach wie vor als handlungsleitendes Prinzip in der deutschen Gesellschaft tief verankert ist. Insbesondere in Krisenzeiten haben wir eine enorme Kraft des zivilgesellschaftlichen Engagements wahrgenommen. Die Gesellschaft zeigt in vielen Bereichen eine bemerkenswerte Bereitschaft, sich gegenseitig zu unterstützen und gemeinsam Herausforderungen zu bewältigen. 


Was macht eine soziale Organisation wie die Tafel Deutschland, um gesellschaftliche Solidarität zu fördern?
Die Tafel Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren und armutsbetroffenen Menschen durch die Verteilung von geretteten Lebensmitteln zu helfen. Unsere Arbeit trägt maßgeblich zur Förderung gesellschaftlicher Solidarität bei. Als Ehrenamtsorganisation schaffen wir Gemeinschaft und fördern Engagement für solidarisches Handeln. Die Tafeln sind Orte der Begegnung, in denen Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen zusammenkommen und sich austauschen. Die Arbeit des Dachverbandes Tafel Deutschland besteht unter anderem darin, die Themen Armut und Lebensmittelverschwendung deutlich aufzuzeigen und anzusprechen – für die allgemeine Öffentlichkeit sowie für die Politik. Dadurch wird in der Gesellschaft das soziale Bewusstsein geschärft und im besten Fall die Solidarität weiter gestärkt sowie Ehrenamtliche gewonnen.